Viele Menschen verbindet der Wunsch nach gesellschaftlicher Veränderung. Sie finden sich in Gemeinschaften. Oft vereint sie der Wunsch nach einer anderen Art des Zusammenlebens. Die Gemeinschaft dient als Keimzelle, um dies mit Leben zu füllen. Sie wollen selbst die Veränderung sein, die sie sich für die Welt wünschen! Und schnell finden sich Menschen, die ebenfalls diesen Wunsch nach Veränderung in sich tragen. Schnell bildet sich eine kleine oder größere Gruppe, die voller Elan und Tatendrang an die Arbeit geht. Die Euphorie ist mit den Händen greifbar …
Gemeinschaftsbildung ist kein Selbstläufer
Die ersten Treffen verlaufen herrlich. Jeder bemüht sich, viele stellen persönliche Bedürfnisse zurück, für die Gruppe wird manches akzeptiert, was vorher boykottiert worden wäre. Alle sind nett zueinander. Bruce Tuckmann nennt dies Formen (mehr darüber gibt es hier in diesem Blog).
Doch nach und nach kann dieser Zustand von den Akteuren nicht mehr aufrecht erhalten werden. Persönliche Bedürfnisse brechen wieder durch, es gilt „sich zu beweisen“ (was immer das für den Einzelnen bedeuten mag), erste wichtige Entscheidungen sollen getroffen werden …
Viele Herausforderungen warten auf die entstehende Gemeinschaft:
- Wie nehmen wir neue Mitglieder auf?
- Wie informieren wir uns gegenseitig?
- Wie finden wir das passende Objekt?
- Wie finanzieren wir unser Vorhaben? Wer gibt wie viel?
- Wer ist für was verantwortlich?
- Wie treffen wir Entscheidungen?
- Wie halten wir den Fokus und unsere Energie (ohne uns zu verzetteln oder auszubrennen)?
- Sind wir alle gleich, oder irgendwie doch nicht?
- Wie teilen wir uns die Arbeit auf?

6 Wege zur
Entscheidungsfindung in Gruppen
Entscheidungen in Gruppen zu treffen gestaltet sich manchmal schwierig.
Erfahre hier 6 Wege, wie Entscheidungen in Gruppen „gefunden“ werden können.
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Wir haben es nie gelernt!
Die Ursache für die meisten Probleme liegen darin, dass die meisten von uns niemals gelernt haben, in Gruppen zusammen zu arbeiten. Unser gesamter „sogenannte“ Bildungsweg bildet uns zu Einzelgängern aus. Es zählt die Einzelleistung, gemeinsam zu leisten stand nie auf dem Stundenplan. Beruflich wird es zwar oft gefordert, in der Realität zählt doch wieder die Einzelleistung. Und jetzt fehlen die Erfahrungen, die Muster, die Routinen für eine wirkungsvolle Zusammenarbeit als Gruppe.
Streß entsteht. Unter Streß fallen die meisten Menschen in ihre alten Muster zurück – genau die Muster, die viele durch eine Gemeinschaft nicht mehr leben möchten. Doch die zuvor positive Gruppendynamik kehrt sich ins negative um. Das positive Bild von den anderen Akteuren, von der Gruppe verwandelt sich in Ablehnung, Abwertung und Ausgrenzung.
Zuerst leidet die Kommunikation, dann werden Gleichgesinnte gesucht und gefunden, stillschweigend Allianzen gebildet, die Kommunikation wird reduziert und Entscheidungen werden zu einer Zerreißprobe.
Eine der meistgewählten Auswege sind: Austritte aus der Gruppe (stillschweigend oder laut), Abspaltungen von Teilgruppen und zunehmendes kollektives Desinteresse aller Akteure an weiteren Treffen.
Es ist tragisch: Menschen mit den besten Absichten treffen sich, sind hochmotiviert und voller Energie – doch nach ein paar Treffen ist vieles verpufft und es wurden genau die Muster vorgelebt, die doch aus der Welt sollten. Desillusioniert wird das Projekt Gemeinschaft verschoben, auf irgendwann später.
»Wir brauchen Gemeinschaften,
deren Mitglieder einander einladen, ermutigen und inspirieren,
über sich hinauszuwachsen.«
Gerald Hüther
Gemeinschaft ist möglich
Gemeinschaft leben ist möglich. Die menschliche Geschichte ist eine Geschichte der Gemeinschaften. Und auch heute gibt es viele Beispiele, wie Gemeinschaft gelingen kann.
Die schlechte Nachricht vorweg: Gemeinschaft kann nicht gemacht werden. Es gibt keinen Masterplan, keine 5 Schritte für eine gute Gemeinschaft. Gemeinschaft kann (im Sinne von Gerald Hüther) nur gelingen, es können Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit es gemeinsam gelingt.
Welche Schritte dies sind, hängt stark von der jeweiligen Gemeinschaft und deren Akteuren ab. Es gibt jedoch ein paar Dinge, die für alle Gemeinschaften relevant sind:
- Klärung wichtiger Begriffe (z. B. Gemeinschaft, kleinster gemeinsamer Nenner, ...)
- Ehrliche, offene Kommunikation - von Beginn an
- Balance zwischen Realität und Vision finden
- Konflikte sofort besprechen, sich Zeit dafür nehmen
- langsam machen, Stillephasen nutzen, schweigen
- Verantwortung und Entscheidungen transparent gestalten
Wer sich als Gemeinschaft auf den Weg macht, tut gut daran, sich begleiten zu lassen. Gerade dann, wenn es noch gut läuft. Eine Google-Suche bringt unter dem Begriff Gemeinschaftsbildung viele Menschen zu Tage, die dabei unterstützen können. Regionale Nähe ist aus meiner Sicht wichtig.
Es gibt den Gemeinschaftsprozess nach Scott Peck, der weit verbreitet ist und eine gute Basis bieten kann. Ich biete auf Bedarf den Heidelberger-WIR-Prozess an. Er ist kinderfreundlicher, da wir selbst Kinder ins Leben begleiten …
»Gemeinschaft nicht als Ort der Glückseligkeit
und des jederzeit aufeinandersitzens.
Sondern als Ort der möglichen Begegnung,
der Begleitung im Leben,
des sich gegenseitig tragen und unterstützen.
Gleichzeitig ein Ort der Ent-Täuschungen,
ein Chance für Konflikte
und als Raum für Selbst-Konfrontation.«
Thomas Rehehäuser